Die Schaidter Familennamen und die Bevölkerungsentwicklung im Wandel der Jahrhunderte
Die ältesten Schaidter Namensbezeichnungen und die allmähliche Bildung von Familiennamen
Wenden wir uns nun der Bevölkerung des alten Grenzdorfes in seiner geschichtlichen Frühzeit zu, so treten in Zusammenhang mit Schaidt zunächst einmal eine Reihe adeliger Herren auf. So wird in einer Urkunde des Jahres 1284 der Speyerer Domkanoniker Richwin von Schonenburg als Schultheiß von Schaidt bezeugt. Vom 13. Jahrhundert an werden verschiedene Angehörige des niederen Adels als Schaidter Grundbesitzer genannt. Vor allem die Herren „von Scharfenberg“, „von Wasgenstein“ und „vom Stein“ werden in verschiedenen Schaidter Urkunden des Spätmittelalters erwähnt. Unser Dorf hat auch einem Ministerialengeschlecht seinen Namen gegeben. In den Jahren 1280 bis 1400 ist in den Archivalien öfters von „Milites de Scheide“ die Rede, wobei der jeweilige Inhalt deutlich zeigt, daß dies Geschlecht von unserem Dorfe ausging.
Dagegen sind bis zum Ende des 14. Jahrhunderts nur wenige Namen von „gewöhnlichen“ Dorfbewohnern überliefert. Dabei zeigt es sich, dass sich die Familiennamen erst nach einem gewissen Übergangsstadium durchsetzten. Auch hier tritt mehrmals der Fall auf, dass Personen unseres Dorfes in benachbarte Städte abwanderten und sich dann nach ihrem Herkunftsorte benannten. 1281 und 1301 war z.B. ein „Henricus dictus de Scheide“ als Kürschner in Speyer ansässig; 1366 ruhte auf einem Hause in Speyer ein Zins, der einem „Heinzen von Scheide “ zustand. Auch für die in Schaidt selbst wohnhaften Bürger finden sich öfter ähnliche Bezeichnungen: 1281 „Burgozus de Scheide“ und seine Gemahlin „Hedewig“, 1281 „Fritelo de Scheide“, 1297 „Conradus Campanarius de Schaiden“. Ähnlich wird schon 1240 ein Schaidter Schultheiß nur mit seinem Vornamen „Heinrich“ bezeichnet. Auch die Gehöfte und Feldfluren wurden damals teilweise nach den Personennamen der Besitzer oder Nachbarn näher bezeichnet. Anno 1307 liegt z.B. ein Feldstück „gegen Hertwiges Hove“, ein anderes neben „Redekinds morgen“ und 1312 führte eine Wiesenabteilung den Namen „Albrehtes Rot“. Selbst im Jahre 1467 sind noch im Steuerbuch der Stadt Weißenburg i.E. frühere Schaidter Bürger mit bloßen Vornahmen aufgeführt: „Agnes von Scheide Witwe“, „Hensel von Scheide“. Doch handelt es sich hier um eine Ausnahme, die im 15. Jahrhundert meist nur noch bei Neuzuwanderern auftritt. Da Herkunftsort bzw. Herkunftsland bei der Benennung immer wieder eine Rolle spielten, darf es uns auch nicht wundern, dass in dem genannten Steuerbuch das Weissenburger Geschlecht der „Scheid“ genannt wird, das nach Herzug „Elsässischer Chronik“ unserem Dorfe entstammte. Neben solchen Personennamen versuchte man schon im 12. und 13. Jahrhundert die Dorfbewohner durch Angabe verwandtschaftlicher Beziehungen näher zu kennzeichnen. So werden z.B. 1297 „Ernestus filius Hugonis (Ernst, Sohn von Hugo) in Schaide“ und „Hugo frater Ernesti praedicti“ (Hugo, Bruder des genannten Ernst) als Schaidter Bürger erwähnt.
Eine weitere Art der damaligen Personenbezeichnung waren die sogenannten Beinamen. Sie sind, wie bereits erwähnt, verschiedenen Ursprungs und können eine Vorstufe der eigentlichen Familiennamen darstellen. In einer Schaidter Urkunde vom Jahre 1307 taucht z.B. eine gewisse Christine mit dem Beinamen „Rudelmennin“ und ein Grundbesitzer Konrad mit dem Beinamen „Volkmar“ auf. Diese Beinamen wurden besonders häufig im Laufe des 14. Jahrhunderts zu festen, erblichen Bezeichnungen in den einzelnen Familien. Nun erst haben wir eigentliche Familiennamen vor uns. Diese Entwicklung war in Schaidt um 1400 schon sehr weit fortgeschritten und wurde in dem folgenden Jahrhundert so gut wie abgeschlossen.
Es ist nun interessant festzustellen, wie der Prozess der Familiennamenbildung in unserem Dorfe auffallend ungefähr parallel verläuft mit einem grundlegenden Wandel des Siedlungsbildes. An Hand des Urkundenmaterials lässt sich nämlich feststellen, dass bis in die ersten Jahrzehnte des 15.Jahrhunderts Schaidt nicht das geschlossene Bild des heutigen Straßendorfes bot. Es handelte sich vielmehr damals um eine ausgesprochene Streusiedlung von Einzelgehöften, die zum Teil außerhalb des heutigen Dorfes lagen. Auch der heutige Dorfbereich bestand damals aus umfangreichen Großgehöften. So wusste man noch im Jahre 1738 (auf grund der älteren Urkunden), dass die heutigen 4 Anwesen oberhalb Loers (bis zur Vollmersweilerer Straße) ursprünglich zu einer „umsteinten Hub“ gehörten, deren Besitzer der Schaidter Kirche Öl- und Bodenzins zahlen musste. Im Laufe des 15. Jahrhunderts erfolgte dann eine allmähliche Konzentrierung der Schaidter Wohngebäude um die heutige Dorfmitte herum, während immer mehr die abgelegenen Gehöfte aufgelassen wurden. Im Jahre 1406 wurde der Dorfkern mit Wall und Graben umgeben und bei den drei Straßenzugängen Tore errichtet. Aus der bisherigen „villa“ Schaidt wurde ein „Marktflecken“. Dieser Siedlungswandel dürfte den näheren Umständen nach aus dem Bedürfnis erwachsen sein, in einer Zeit unzähliger Kleinkriege und Fehden besser als bisher gegen feindliche Zugriffe gesichert zu sein. Zweifellos steht auch der überraschend schnelle Fortgang der Familiennamenbildung mit diesem etwa gleichzeitigen Siedlungswandel in innerem Zusammenhang. Das näher aneinanderrücken der Dorfbewohner machte eine genauere Benennung des Einzelnen innerhalb der Gemeinschaft notwendig.
Mit der Familiennamenbildung begann in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts auch die Zeit, wo sich gegebenenfalls Einzelgeschlechter in unserem Bienwalddorfe durch Jahrhunderte verfolgen lassen. Freilich sind die auf Schaidt bezüglichen Archivalien im 15. und 16. Jahrhundert aus den eingangs erwähnten Gründen noch lückenhaft, was auch auf die meisten anderen pfälzischen Dörfer zutrifft. Wenn man jedoch die geschichtlichen Mosaiksteinchen geduldig zusammensetzt, wie es bei der folgenden Zusammenstellung versucht wurde, ergibt sich eine für dörfliche Verhältnisse erstaunlich lange Liste von Familien, die schon vor dem Dreißigjährigen Kriege in Schaidt ansässig waren. In überraschend vielen Fällen lassen sich Altschaidter Familien sogar vor das Jahr 1500 zurück verfolgen. Die folgende Übersicht besitzt aber nicht nur eine familiengeschichtliche Bedeutung; sie lässt auch einige interessante bevölkerungsgeschichtliche Schlussfolgerungen zu. Den einzelnen Familiennamen wurde (in Klammern) abweichende Schreibarten beigefügt. Weitere Angaben beziehen sich auf die Dauer des Aufenthaltes in unserem Dorfe. Dabei werden die Jahreszahlen der urkundlichen Erwähnungen vor dem Jahre 1685 besonders berücksichtigt. Von 1685 an besitzen wir nämlich für Schaidt ein ziemlich umfangreiches Quellenmaterial, so dass von an der eventuelle Weiterbestand der einzelnen Familien meist klar zu verfolgen ist.
Altschaidter Einwohnerzahlen und allgemeine Familien- und bevölkerungsgeschichtliche Probleme zwischen 1400 und 1650
Wenn man in den Archivalien des 15. oder 16. Jahrhunderts nach Bevölkerungszahlen sucht, finden sich natürlich keine solch präzisen Angaben wie in einer heutigen Statistik .Meistens muss man sich die entsprechenden Zahlen erst durch Kombinationen und Vergleiche rekonstruieren.
Wenden wir uns in dieser Beziehung zunächst der Zeit von 1400 bis 1530 zu. Die beiden Hauptquellen für diesen Zeitabschnitt bilden zwei Kopialbücher (Generallandesarchiv Karlsruhe), welche Einwohnerverzeichnisse unseres Dorfes aus der Zeit um 1465 und 1530 enthalten. Fasst man die dortigen Angaben zusammen, so ergibt sich etwa folgendes Bild:
Schaidt um 1465
Zahl der erwachsenen Dorfbewohner: ca. 335
Zahl der Ehepaare: ca. 155
Zahl der Kinder und Jugendlichen fehlt
Zahl der Gesamteinwohner fehlt
Zahl der Familiennamen: ca. 107
Schaidt im Jahre 1530
Zahl der erwachsenen Dorfbewohner: ca. 325
Zahl der Ehepaare: ca. 140
Zahl der Kinder und Jugendlichen: ca. 400
Zahl der Gesamteinwohner: ca. 725
Zahl der Familiennamen: ca. 92
Rund 68 Familiennamen erscheinen sowohl 1465 wie auch 1530.
Von den Schaidter Familiennamen lässt sich an Hand dieser Quellen eindeutig feststellen, dass ihre Bildung damals weitgehend abgeschlossen war. Allerdings finden sich noch einzelne Reste von Beinamen in den beiden Kopialbüchern und zwar die folgenden:
„Der lang Heinrich“ (1465)
„Der jung Düffel“ (1465)
„Der lang Michel“ (1530)
„Die Kupenhemern“ (1465)
„Der fremd Olyer von Mönster“ (1530)
„Hans von Rechberg“ (1465)
„Peter von Salmbach“ (1465)
„Peter von Hausen“ (1530)
Bei den erstgenannten drei Personen verdeckte jedoch möglicherweise nur in den beiden Kopialbüchern der ortsbekannte Beiname den an sich vorhandenen Familiennamen. Die letztgenannten fünf Personen waren vermutlich neu zugezogen und wurden zunächst einmal nach ihrer Heimat benannt. Allerdings soll bei den letzten drei Personen die Frage offen bleiben, ob es sich nicht um Nachfahren alter Ministerialen handelte. In einigen Fällen führen unsere Quellen auch nur die Amts- bzw. Berufsbezeichnung der betreffenden Dorfbewohner an (z.B. „der Schultheiß“, „der Heimburg“, „der Nagelschmied“). Auch hier dürften wohl die amtliche Würde oder ein hervorstechender Beruf den vorhandenen Familiennamen verdeckt haben. Außerdem besaßen manche Familiennamen noch nicht die feste Form von heute. Es ist daher nichts außerordentliches, wenn ein aus Schwaben zugewanderter Mann nach einiger Zeit in dergleichen Quelle bald als „Schwab“, bald als „Schwebel“ bezeichnet wird. Völlige Neubildungen von Familiennamen, vor allem bei neuzugezogenen Personen, sind in der damaligen Zeit keine Seltenheit. Trotz solcher Sonderfälle waren bezeichnenderweise in den genannten beiden Kopialbüchern bereits rund neunzig Prozent der Altschaidter Familiennamen eindeutig als solche festgelegt. Zusammenfassend lässt sich daher sagen, dass in unserem Dorfe die Familiennamenbildung um die Mitte des 15. Jahrhunderts sich im Wesentlichen schon durchgesetzt hatte.
Woher stammen nun die damaligen Altschaidter Familien? Die bei den Bevölkerungsverzeichnisse von 1465 und 1530 geben bei den erwachsenen Dorfbewohnern, die fast alle Leibeigene waren, auch den sogenannten Leibherrn an. In vielen Fällen lassen sich daraus Rückschlüsse auf die Herkunft der einzelnen Familien ziehen. Außerdem konnte an Hand der übrigen Archivalien in der obigen Familienliste nicht selten das Stammland bzw. der Herkunftsort unmittelbar angegeben werden. Sieht man sich zunächst einmal jene Altschaidter Familien, die aus entfernteren Gegenden stammten, etwas näher an, dann fällt die Tatsache auf, dass die Urheimat fast immer im alemannisch-schwäbischen Raum zu finden ist, während die übrigen außerpfälzischen Gegenden Deutschlands unter den damaligen Neuzuwanderern unseres Dorfes überraschend selten Vertreter hatten. Diese Grundtendenz hielt, wie wir noch sehen werden, in etwas abgeschwächter Form auch in späterer Zeit noch lange an. Manche Schaidter „Kienholzknorzen“ – das ist der Spitzname für die Bewohner unseres Dorfes – tragen dieses Erbe der Väter zweifellos auch heute noch körperlich und geistig an und in sich. Freilich kamen nicht alle Schaidter des 15. und 16. Jahrhunderts aus den Landen zwischen Vogesen und Lech. Mindestens ebenso viele Dorfbewohner waren alteingesessen oder wanderten aus den Dörfern der Umgebung nach Schaidt zu. Bei der Durchsicht der archivalischen Quellen fällt jedoch auf, dass die familiären Beziehungen zu allen Nachbarorten im Gegensatz zu späteren Zeiten ziemlich gleichmäßig waren. Ein Vergleich der Familiennamen von Schaidt und den Dörfern der damaligen Gemeinschaft Guttenberg zeigen bis weit in das 16. Jahrhundert viele Parallelen und verwandtschaftliche Verbindungslinien. Während jedoch die wechselseitigen Einheiraten zwischen unserem Bienwalddorfe und den Mundatdörfern (Steinfeld, Kapsweyer usw.) die ganzen Jahrhunderte hindurch gleich bleiben und selbstverständlich waren, änderte sich durch die Einführung der Reformation in das „Guttenbergische“ und die Kurpfalz das Verhältnis zu den Dörfern Freckenfeld, Vollmersweiler, Dierbach usw. grundlegend. Namentllich von Pfälzischer Seite wurde die Grenzziehung gegenüber dem „bischöflich-speyerischen“ Schaidt verschärft und zwischen den ursprünglich vielfach verwandten Familien tat sich allmählich durch eine jahrzehntelange andersartige Erziehung eine tiefe religiöse Kluft auf. Wenn man allerdings die katholischen und evangelischen Kirchenvisitationsprotokolle (im Generallandesarchiv Karlsruhe bzw. im Geheimen Staatsarchiv München) gründlich studiert, merkt man, dass diese Vorgänge nicht ohne den passiven Widerstand vieler Familien vor sich ging. Jahrzehntelang ignorierten manche unserer Dorfbewohner die konfessionellen Unterschiede und suchten die alten familiären Bande weiterhin zu erhalten. Das war darum möglich, weil die verworrenen und unausgegorenen religiösen Auffassungen des sogenannten kleinen Mannes in jenen Tagen sich weder mit dem Katholizismus noch dem Protestantismus heutiger Prägung deckten. Erst als durch manchmal recht rigorose Gegenmaßnahmen der Landesfürsten die Leute auf „Vordermann “ gebracht wurden, rissen im Laufe der Zeit die familiären Fäden zwischen Schaidt und den evangelisch gewordenen Nachbardörfern ab. Als im Dreißigjährigen Kriege unter dem Schutze von „Besatzungsmächten“ auch in den „pfälzischen“ Dörfern sich wieder Katholiken niederlassen durften, kam es langsam und zögern aufs neue zu wechselseitigen Einheiraten nach dem katholischen Schaidt hin. Auf diese Dinge muss hinweisen werden, da sie entscheidenden Einfluss auf die Zusammensetzung der heutigen Schaiter Dorfbevölkerung hatten.
Werfen wir wieder einen Blick auf die obige Einwohnerstatistik, so lassen sich daraus noch andere Rückschlüsse auf die Bevölkerungsentwicklung unseres Dorfes ziehen. Zunächst einmal fällt die überraschend hohe Einwohnerzahl von über 700 Seelen auf, die uns für das Jahr 1530 bezeugt sind. Diese Tatsache warnt uns, die Einwohnerzahl unserer Dörfer für jene Zeit zu niedrig anzusetzen. Für die Zeit um 1465 ist zwar keine Gesamteinwohnerzahl angegeben, jedoch lässt ein Vergleich der Erwachsenen, der Ehepaare und der Familiennamen den sicheren Schluss zu, dass um 1465 die Einwohnerzahl sogar noch etwas höher gewesen sein muss. Überraschend ist auch die Tatsache, dass von den Familiennamen um 1465 nur etwas mehr als die Hälfte im Jahre 1530 noch anzutreffen waren. Die oben angeführten Sonderfälle in der Namensbildung können diesen Rückgang der Zahl der Familiennamen nur teilweise erklären. Da auch die Zahl der Erwachsenen und der Ehepaare um 1465 höher liegt als um 1530, müssen wir vielmehr für diesen Zeitraum einen stärkeren Bevölkerungswechsel und einen leichten Rückgang der Einwohnerzahl annehmen. Freilich kann man auch feststellen, dass um 1465 nur selten mehr als zwei Familien den gleichen Namen trugen, während um 1530 schon mehr gleichlautende Familiennamen in unserem Dorfe anzutreffen waren. Aus diesen Umständen geht einwandfrei hervor, dass zwar einzelne Familien durch ihre Nachkommenschaft in die Breite wuchsen, dass aber andererseits ein großer Teil der Bewohner unseres Dorfes nicht sesshaft blieb. Es kann für den Zeitabschnitt zwischen 1465 und 1530 dieser bevölkerungsgeschichtlichen Tatbestand vorläufig nur einmal für ein Dorf festgestellt werden. Erst eine weitergreifene Spezialforschung kann klären, ob sich ähnliche Erscheinungen in einem größeren Siedlungsraum unserer Pfälzer Heimat nachweisen lassen und worin im einzelnen die Ursachen für die Vorgänge zu suchen sind. Immerhin lässt sich bereits heute sagen, dass die Kleinkriegswirren des 15. Jahrhunderts und der Bauernkrieg für unsere Bienwalddörfer schwere Heimsuchungen mit sich brachten. Es darf auch nicht übersehen werden, dass das Einwohnerverzeichnis von 1530 gerade zu einem Zeitpunkt angelegt wurde, als die Bienwaldgegend noch unter den Auswirkungen einer pestartigen Seuche zu leiden hatte. So war die Lage auch für unser Dorf keineswegs rosig und die damalige vorübergehene Rückentwicklung wurde durchaus verständlich.
Ein wesentlich anderes Bild ergibt sich für den folgenden Zeitabschnitt von 1530 bis in den Dreißigjährigen Krieg hinein. die obige Übersicht über die einzelnen Familien zeigt zunächst, wie während dieser Zeitperiode eine größere Anzahl von Familien Generationen hindurch in unserem Dorfe sesshaft blieb. Einige dieser Altschaidter Geschlechter konnten sich sogar bis zum heutigen Tage erhalten. Gegenüber den Jahren von 1530 fällt diese Beständigkeit besonders auf und ist bei unserer kriegsumtobten pfälzischen Heimat keineswegs selbstverständlich Sogar in der Fachliteratur ist öfter in übertriebener Weise von der unüberbrückbaren Schranke des Dreißigjährigen Krieges gesprochen worden. Man hat zu wenig beachtet, dass eine Anzahl von Geschlechtern erst in den Reunionskriegen unterging und einzelne Familien trotz der Kriegswirren und trotz zeitweiliger Flucht in das rechtsrheinische Gebiet sich auf die Dauer durchsetzen konnten. An Hand der zahlreichen und recht umfassenden archivalischen Quellen lässt sich feststellen, dass um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert mindestens 160 der aufgeführten Familiennamen in Schaidt anzutreffen waren. Außerdem nahm nach 1530 die Zahl gleichnamiger Familien zu, was ebenfalls auf größere Sesshaftigkeit und auf das Anwachsen der einzelnen Familiensippen hinweist. Zieht man die Zahlen von 1465 und 1530 zum Vergleich heran, so kann man mit ziemlicher Sicherheit behaupten, dass unser Bienwalddorf um 1600 gegenüber dem Jahre 1530 in seiner Bevölkerungszahl gewachsen war und mindestens 900 bis 1000 Einwohner zählte. Eine für die damalige Zeit ganz respektable Zahl! Es ist daher nicht verwunderlich, dass gelegentlich einer Pfarrvisitation im Jahre 1584 (Bericht im Karlsruher Archiv) Schaidt zu den volkreichsten Dörfern in der Südpfalz gerechnet wurde und eine entsprechend hohe Zahl von Osterkommunikanten aufwies. Ein genaues Studium der archivalischen Quellen legt freilich die Vermutung nahe, dass diese Aufwärtsentwicklung während des 16. Jahrhunderts nicht ganz gleichmäßig erfolgte, sondern von gelegentlichen Rückschlägen gedämpft wurde.
Der bedeutsamste Einschnitt in der Bevölkerungsgeschichte unseres Dorfes war zweifellos der Dreißigjährige Krieg, obwohl er in seiner Wirkung keineswegs überschätzt werden sollte. Das erste Jahrzehnt dieses unheilvollen Völkerringens ließ das öffentliche Leben in unserem Dorfe trotz mancher Kriegslasten noch einigermaßen normal verlaufen. Nach 1630 begann dann der verhängnisvolle Umschwung, so dass in den beiden folgenden Jahrzehnten der Großteil der Schaidter Wohnhäuser vernichtet und viele Dorfbewohner hinweggerafft wurden. Als 1648 endlich Friede wurde, existierte höchstens noch ein Drittel, wahrscheinlich sogar nur ein Viertel jener Altschaidter Familien, die vor dem großen Kriege unser Dorf bewohnten. Daran konnte auch die Tatsache nichts ändern, dass einige Familien, die es in andere Gegenden Deutschlands verschlagen hatte, im Laufe der Nachkriegsjahre in ihre Schaidter Heimat wieder zurückkehrten.
Wie ein großer Abgesang an vergangene Jahrhunderte hören sich die letzten Beurkundungen erloschener Altschaidter Geschlechter an, wie wir sie in stetiger, vielsagender Wiederkehr bei der Besitzneuverteilung der „Davongekommenen“ in den Akten verzeichnet finden:
1651: „Peter Becksteins Erben“ „Michael Schillingers Erben“
1667: „Seifried und Theobalt Arbogast Erben“, „Caspars Bläsers Erben“, „Barten Degens Erben“, „Jakob und Stephan Ebens Erben“, „Martin Großknechts Erben“, „Peter Fiedlers Witib“, „Asymus Schweitzers Erben“, „Erhart Wehrbachs Erben“, „Lorenz Schecken Erben“, „Joachim Reißens Erben“, „Bartel Fiedlers Erben“, „Michael Bößhertzen Erben“, „Stophel Ehehalts Erben“, „Veltin Dierbachers Erben“, „Hans Hirnen Erben“,, „Hans Thoman Mantels Erben“, „Henrich Mösels Witib“, „Veltin Ihlichers Witib“, „Veltin Christophels Witib“ usw.
Man müsste dieses „Erben“-Register noch lange fortsetzen, wenn man alle damals untergegangenen Familien hier nennen wollte. Zu diesem Massensterben mögen freilich außer den kriegerischen Ereignissen auch die pestartigen Seuchen beigetragen haben, die in den Jahren 1626, 1632, 1635 und 1636 in der Bienwaldgegend viele Opfer forderten. In dem Dorfe Minfeld starben allein im Jahre 1636 nicht weniger als 126 Personen an der „Pest“! Es ist daher keineswegs verwunderlich , dass auch unser Bienwalddorf Schaidt in jenen Jahren die größten Menschenverluste seiner Geschichte erlitt. Wie sollte das weitergehen?
Die Bevölkerungsentwicklung zwischen 1650 und 1720
Mit der unserem Volke eigenen Zähigkeit ließen damals unsere Ahnen ungeachtet der großen Lücken, die Krieg und Pest gerissen hatten, über den rauchenden Trümmern ihrer Dörfer neues Leben erstehen. Trotzdem ging der Wiederaufbau nur langsam vor sich und noch 15 Jahre nach dem Kriege gab es viele unbesiedelte Trümmerfelder in unserem Bienwalddorfe. Für das Jahr 1667 berichten die Urkunden, dass in Schaidt nur 250 Einwohner lebten. Um jene Zeit ließen sich zahlreiche Familien in unserer Bienwaldgegend nieder und förderten ganz erheblich die Neubesiedlung. Aber den damaligen Generationen wurde keine Ruhe gegönnt und nochmals traf sie ein harter Rückschlag: Die Raubkriege des „Sonnenkönigs“ und der spanische Erbfolgekrieg brachten wieder einen zeitweiligen Rückgang der Bevölkerungszahl mit sich. Im Jahre 1685 sind 66 Schaidter Wohnhäuser bezeugt. von denen manche zerstört oder unbewohnt waren. Verschiedene Schaiter Familien suchten vorübergehen im Rechtsrheinischen ihre Zuflucht, kehrten aber nachweislich zum größten Teil in ihr Heimatdorf zurück. Erschütternde Dokumente, die von dem Hunger und der Not jener Tage berichten, sind uns überliefert. Für das Jahr 1702 ist wieder als Gesamtfamilienzahl 60 angegeben, was auf eine beginnende Normalisierung der Verhältnisse hindeutet.
Es ist freilich nötig, an dieser Stelle einer Dorftradition entgegenzutreten, die selbst von guten Kennern unserer Heimatgeschichte wiedergegeben wird und auch in die Schaidter Pfarrchronik Eingang gefunden hat. Nach dieser Überlieferung sollen infolge einer pestartigen Krankheit um das Jahr 1708 von den damaligen 200 Einwohnern nur 5 am Leben geblieben sein. Diese Behauptung muss in das Reich der Fabel verwiesen werden, da alle archivalischen Quellen jener Zeit eindeutig die Unrichtigkeit, ja Unmöglichkeit dieser angeblichen Überlieferung beweisen. Ein großer Teil der im ältesten Schaidter „Bethbuch“ (Bede = etwa der heutigen Grundsteuer entsprechend) von 1685 erwähnten Familien findet sich – neben einer Anzahl neu auftauchender Namen – auch im „Bethbuch“ von 1713 wieder. In letzterem Jahre waren rund 90 Familien in Schaidt wohnhaft und widerlegen bereits durch ihr Dasein das Märchen von einem ausgestorbenen Dorfe. Trotzdem steckt in der erwähnten Schaidter Dorftradition ein kleiner Wahrheitskern. Um das Jahr 1708 grassierte nämlich, wie die Sterberegister der Schaidter Kirche zeigen, eine Epidemie unter den Kindern und raffte manches junge Menschenleben hinweg. Dennoch macht sich um diese Zeit bereits wieder ein langsamer Anstieg der Bevölkerungszahl bemerkbar. Dass jedoch die Wirkung vor allem der Reunionskämpfe nicht unterschätzt werden dürfen, geht gerade aus den beiden erwähnten „Bethbüchern“ hervor. Von den Familiennamen, die den Dreißigjährigen Krieg noch überlebt hatten, sind viele in diesen archivalischen Quellen, die praktisch alle steuerzahlenden Dorfbewohner erfassten, nicht mehr genannt. Von einem Teil der aufgeführten Anwesen ist ausdrücklich erwähnt, dass es sich um „ausgebrannte Hofstätten“ handelte, von denen oft mehrere in einer Hand vereinigt waren. Es tritt sogar der Fall auf, dass einige Familien, die in Nachbardörfern wohnten, in Schaidt solche zerstörte Anwesen im Besitz hatten.
Überblicken wir den Zeitraum von 1650 bis 1720, so lässt sich feststellen, dass während dieser Zeitspanne an Stelle der untergegangenen Geschlechter eine Anzahl neuer Familien zuwanderte, von denen viele bis in unsere Tage fortbestehen. Diese damaligen Neusiedler bildeten zusammen mit den wenigen Familien, welche die Kriege des 17. Jahrhundert überlebten, einen solch dauerhaften Familiengrundstock, dass sie noch heute einen Großteil der alteingesessenen Schaidter Familien ausmachen.
Unser Dorf zwischen 1720 und 1820
Werfen wir zunächst einen Blick auf die allgemeine Entwicklung unseres Bienwalddorfes im weiteren Verlaufe des 18. Jahrhunderts, so können wir eine ständig wachsende Einwohnerzahl feststellen. Diese Entwicklung konnte auch nicht vom polnischen und österreichischen Erbfolgekrieg aufgehalten werden, obwohl beide Kriege unserem Dorfe vielerlei Lasten aufbürdeten. Selbst verschiedene Abwanderungen in den osteuropäischen Raum (Ungarn), von denen gelegentlich in den Akten die Rede ist, blieben ohne tiefergehende Wirkung. Während der Schreckensjahre der französischen Revolutionskriege flüchteten viele Schaidter Familien in das rechtsrheinische Gebiet. Die geflüchteten Familien kehrten jedoch wieder zum größten Teile in ihre Heimat zurück, wie die noch vorhandenen Rückkehrerverzeichnisse und die anderen archivalischen Quellen eindeutig beweisen. So wuchs unser Dorf bis zum Jahre 1769 auf 700 und um das Jahr1800 auf 1000 Einwohner an. Um das Jahr 1835 wurde mit 1400 Seelen ein Höhepunkt erreicht.
Wenn sich nun für diesen Zeitraum an Hand der Akten eine Reihe neuer Familiennamen in Schaidt nachweisen lassen, so könnte man annehmen, dass besonders diese neuzugewanderten Familien das stetige Wachstum unseres Dorfes bedingten. Dies trifft jedoch nur in sehr beschränktem Maße zu, wie eine weitere Namenszusammenstellung eindeutig zeigt.
Die Bevölkerungsentwicklung zwischen 1820 und 1945
Dass Schaidt zu Beginn des 19. Jahrhunderts überhaupt ein gewisses Höchstmaß an Fassungsvermögen erreicht hatte, zeigt ein letzter Überblick bis zum 2. Weltkrieg hin. Schon die Einwohnerzahlen sprechen für sich:
1835: Über 1.400 Einwohner
1890: 1.264 Einwohner
1930: 1.322 Einwohner
1933: 1.288 Einwohner
Wir haben es also mit einem gewissen Stillstand, ja, mit einem Rückgang der Bevölkerungszahl zu tun. Hatten bis in die Zwanzigerjahre des vorigen Jahrhunderts wenigstens noch die Kinder der alteingessenen Familien zuhause ihr Brot verdienen können, so machte sich die Aufsplitterung des Grundbesitzes bei einer bis dahin verhältnismäßig hohen Kinderzahl immer mehr bemerkbar. Dadurch wurde bei vielen ein Existenzminimum erreicht. Wer nicht als Taglöhner bei dürftigem Lohne arbeiten wollte, suchte sein Heil in der Fremde. Vor allem die Jüngeren machten sich auf, um ihr Glück zu suchen. Sehr viele von ihnen im vielgepriesenen Amerika und in den französischen Kolonien Nordafrikas. Besonders in den Jahren 1850 – 1860 ist eine starke Abwanderung zu verzeichnen.
Eine Übersicht über Altschaidter Familien, von denen sich Auswanderer in Amerika finden, sei daher angefügt:
Abt, Becker, Beck, Bernhardt, Bibus, Böhles, Broßhardt, Burckhart, Dietrich, Elias, Eckert, Frech, Geörger, Getto, Graßmann, Heil, Heußer ,Jöckle, Mohler, Mohr, Rinck, Riedle, Schehr, Schimpf, Schmaltz, Stierheim, Striebig, Stricker, Thomas, Völckel, Waldmann.
Vielfach wanderten aus einer Familie gleichzeitig mehrere Angehörige aus, was auf die Dauer nicht ohne Einfluss auf die Entwicklung unseres Dorfes bleiben konnte. Freilich versuchte man in den letzten hundert Jahren, diesen negativen Erscheinungen entgegenzuwirken. Vor allem die Einführung der Korbwarenindustrie in Schaidt brachte gerade für die ärmere Bevölkerungsschicht eine soziale Besserstellung und befreite viele aus einem Taglöhnerdasein. Auch die Lage der rein bäuerlichen Bevölkerungsschicht verbesserte sich auf wirtschaftlichem Gebiete durch Großanbau von Tabak. Schaidt gehört bis vor wenigen Jahren zu den besten Tabakanbaugemeinden unserer pfälzischen Heimat. Trotzdem konnte ein gewisser Stillstand der Bevölkerungszahl nicht verhindert werden, da diese sozialen Verbesserungen die oben erwähnten negativen Seiten der wirtschaftlichen Entwicklung nur zum Teil ausgleichen konnten. Dabei darf nicht übersehen werden, dass die Abwanderung in den innerdeutschen Raum noch viel stärker war als jene in das Ausland. Die höheren Löhne und wirtschaftliche Möglichkeiten der Städte zogen eben die Menschen magnetisch an.
Dieser allgemeinen Lage entspricht es auch, dass seit 1820 bis zum 2. Weltkrieg verhältnismäßig wenig neue Familien in unserem Bienwalddorfe auf die Dauer Fuß fassen konnten. Übergeht man die Beamtenfamilien „auf Zeit“ und die sonstigen vorübergehenden Gäste, die wir ja nicht zu den alteingesessenen Familien rechnen können, so ergibt sich zwar noch einmal eine ganze Liste neuer Namen, deren Träger tatsächlich einige Zeit hier ansässig waren. Aber nur etwa ein Drittel dieser Familien besteht heute noch im männlichen Stamme in unserem Dorfe weiter.