Vergessene öffentliche Ämter aus der Zeit vom 12. bis zum 18. Jahrhundert
Die Siedlungen am Bienwaldrand hatten bereits zu Beginn des 2. Jahrtausend eine geordnete Verwaltung und vielseitige Berufe in Handwerk und Kunst. Menschen die sich in den Dienst der Verwaltung stellten oder in Ämter berufen wurden, hatten meist eine große Verantwortung und sehr hohes Ansehen. Sie prägten schon zu dieser Zeit die Struktur der Dörfer, so wie sie heute vorzufinden sind.
Lebenserhaltende Tätigkeiten wurden zu Berufen. Sie erlebten Blütezeiten doch die meisten waren im Wandel der Zeit dem Niedergang geweiht.
Einige dieser Ämter und Berufe sollen vorgestellt werden und es lässt sich oft ein Vergleich herstellen zu Ämtern und Berufen unserer Zeit.
Die höchsten dörflichen Ämter waren, mit wenigen Ausnahmen, Ehrenämter. Besoldet wurden hauptsächlich nur Advokaten und Gerichtsschreiber. Jene, die den Namen clerici oder syndici führten und anfangs durchweg dem geistlichen Stande angehörten. Kaiser,
König, Fürst und andere Personen des Hochadels waren weit weg und beschäftigten sich mit der hohen Politik. Die Vertretung der „Regierung“ vor Ort übernahm der Faut.
Der Faut und gleichzeitig Amtmann des Oberamtes Lauterburg oder Germersheim und der dazu gehörenden Ämtern, war stets von Adel und wurde in seiner Bestallungsurkunde verpflichtet darüber zu wachen, dass Recht und Gesetz eingehalten wurde.
Verstöße gegen Kirchen-, Polizei-, Ehe- und anderer Ordnungen wurden durch den Faut nach Gebühr bestraft. Er hatte die kurfürstliche Gerechtsame an Wörtern, Auen, Salmen- und Goldgründen, sowie die Privilegien bezüglich der Leibeigenschaft ungeschmälert zu erhalten.
Der Amtmann war gehalten „für arme wie reiche ein gleicher gemeiner Richter und Theidiger zu sein“. Im Kriegsfalle wurde er mit der Truppenführung betraut.
Das wichtigste Ehrenamt im Dorf war der Schultheiß. Er war eine Art Richter der niederen Gerichtsbarkeit, der (mittelhochdeutsch) „die schult heißt“ also den Schuldigen verpflichtet seine Geldschuld oder andere Schulden zu begleichen. Die Hauptaufgaben bestanden in der Rechtssprechung in bürgerlichen Sachen, Beurkundungen von Verträgen, das Mündelwesen, sowie Rechnungs- und Inventarkontrollen. Ebenso musste der Schultheiß leichte Vergehen behandeln wie zum Beispiel: Beleidigungen, Schmähungen, Schlaghändel, Frevel u.s.w..
Bei schweren Straftaten wie Mord oder Totschlag, brach er den Stab über dem Verbrecher und gab den Fall an den Faut beim Oberamt weiter. Die übrigen Aufgaben entsprachen denen eines heutigen Bürgermeisters. Im 16. Jahrhundert erhielt der Schaidter Schultheiß als Besoldung 8 Malter Korn, für jeden bearbeiteten Fall 1 fl.. Ferner wurden ihm täglich ein Batzen für eine Mahlzeit und Fütterung für sein Amtspferd gewährt, sowie jährlich ein Hofkleid (Amtsrock). Selbstverständlich war der Schultheiß unter anderem vom Frondienst und von der Beet (Grundsteuer) befreit.
In Schaidt bestand das Schultheißenamt vom 13. Jahrhundert bis 1788. In einer Urkunde des Münchener Hauptstaatarchivs vom 14.9.1240 wird ein „Henricus de Scheide, secultus ibidem“ genannt. Dieser Heinrich von Schaidt, gehörte dem Ministerialgeschlechte an, das nach dem Dorfe Schaidt benannt worden war.
Der Schultheiß wurde von den „Gemeindsleuten“ aus den Reihen der Bürger auf Lebenszeit gewählt Sie gaben ihr Amt nur bei Krankheit oder Altersschwäche auf. Die Amtseinführung war eine feierliche Angelegenheit. Vor versammelter Gemeinde verlas der Oberschultheiß vom Oberamt Lauterburg das „Einsetzungspatent“ und überreichte den „Schultheißenstab“. Einen Stock von ca. 1 Meter Länge und mit verziertem Knauf. Anschließend fand dann die Huldigung der Dorfbewohner statt.
Während die Schultheißen in gewissem Sinne Staatsbedienste waren, wurden die Beede- (Bethe-)Bürgermeister von der Gemeinde bestellt. Es waren immer zwei Bürgermeister im Amt, von denen einer jeweils aus den Gemeindsleuten (gewöhnlichen Bürgern) gewählt wurde, während der andere von den Gerichtsschöffen aus ihren Reihen heraus bestimmt wurde. Die Bürgermeister waren dem Schultheiß unterstellt. Sie waren eine Mischung aus Steuereinnehmern, Grundbuchbeamten und Polizeiaufsehern. Die Aufgaben waren oft von schlichter ja sogar von primitiver Natur und trotzdem wurde von diesen „einfachen“ Leuten oft erstaunliches in der Gemeinde geleistet. Nicht selten mussten die Bürgermeister für den bequemen Schultheiß die Kastanien aus dem Feuer holen, wenn dieser nicht selbst sich die Finger verbrennen wollte.
Die Gemeindemitglieder wurden durch die Gerichtsschöffen bei der Verwaltung vertreten.
Diese Männer waren das Spiegelbild der Dorfprominenz. In den meisten Fällen wurde das Amt eines Schöffen innerhalb der Sippe oder Familie „vererbt“, manchmal über hundert Jahre hinweg. Die Aufgaben waren sehr vielfältig. Ratssitzungen, Gerichtsentscheide über Erbangelegenheiten und Streiterein, sowie Vergabe von Brunnengerechtigkeiten und vieles mehr.
Die Ämter der Gerichtsschreiber und der Schulmeister befanden sich meist in der Hand eines Mannes. Die Tätigkeit der Gerichtsschreiber jener Tage war überhaupt recht weit gespannt. Sie waren für den Schultheiß und das Dorfgericht, aber ebenso für die beiden Bürgermeister, ja sogar für die einzelnen Bürger als Schreibkraft tätig. Vielfach hatten sie auch die Prüfung als „notari puplici“ abgelegt, sodass sie Beurkundungen vornehmen konnten. Durch die Zusammenlegung der Ämter des Schulmeisters und Gerichtsschreibers sparte die Gemeinde Geld. Der Gerichtsschreiber nahm Trinkgelder und wurde zu Familienfesten eingeladen. Dabei wurde oft versucht den Gerichtsschreiber zu beeinflussen.
Um sein Einkommen aufzubessern übernahm der Gerichtsschreiber oft noch den Posten des Glöckners.
Der Schulmeister hatte in der Regel keine besondere Ausbildung. Er musste im Lesen, Schreiben und Rechnen bewandert sein. Hierüber hat er beim Oberamt eine „Prüfung“ abgelegt. Der Schulmeistersohn ging bei seinem Vater „in die Lehre“ und versah dann später, nach der Prüfung, den Schuldienst im Dorf oder im Nachbardorf.
Die Gerichtsschreiber und Schulmeister waren wegen der „schwierigen Schreibkunst“ geachtete Leute.
Neben diesen „besseren Leuten“ gab es in einer Gemeinde noch zahlreiche andere „Amtspersonen“. Da gab es den Heimberg oder Heimburger, der neben anderen Aufgaben für die Richtigkeit der Maße und Gewichte zu wachen hatte und eine Art Diener des Schultheißen war. Der Heimberg überprüfte auch die Schankgläser in den Wirtshäusern auf den Eichstrich. Im zur Seite stand der Dorfmeister, der vor allem für die Eintreibung verschiedener Abgaben zuständig war. Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurden diese beiden Ämter durch die Bürgermeister wahrgenommen.
Der Dorfbüttel, der ursprünglich dem Schultheiß und den Bürgermeistern als Gehilfe diente, hatte schon immer die Aufgabe, öffentliche Bekanntmachungen „auszuschellen“ und am Gemeindebrett auszuhängen. Bei seinen Botengängen kam es vor, dass der Dorfbüttel zum Schlachtfest eingeladen wurde und nach reichlichem Genuss von Wein und Schnaps mit dem Schubkarren nach Hause gebracht werden musste.
Einen schwierigen und auch nicht immer ganz ungefährlichen Beruf hatte der Abgebieter.
Zur Polizeistunde musste der Abgebieter von Wirtshaus zu Wirtshaus ziehen und die Einhaltung der Polizeistunde überwachen. So mancher Zecher warf mit seinem Trinkglas nach dem Polizeigehilfen.
Heute völlig unvorstellbar war das Amt des Kirchenrrüger (Dialekt: „Kirchenricher“).
Jedes Jahr wurden zwei männliche Mitglieder der Kirchengemeinde aufgestellt, um darüber zu wachen, dass in keiner Weise gegen christliche Auffassungen verstoßen wurde. Es durfte keine Feldarbeit zu Gottesdienstzeiten erledigt werden. Kirchgänger, die zu spät kamen, wurden mit einem strafenden Blick bedacht und bei Wiederholung öffentlich mit Namen genannt. Auch durfte kein Gottesdienstbesucher in Arbeitskleidung erscheinen und keinen Stallgeruch an der Kleidung haben.
Diese „wichtige“ Amt ist nicht zu verwechseln mit der Tätigkeit eines Kirchenpflegers. Diese hatten die Aufgabe das damals spärliche Kirchenvermögen zu verwalten. Heute übernehmen dieses Amt die Kirchenrechner.
Noch im 17. Jahrhundert gab es das Amt des Feuerbeschauers. In Schaidt waren mit dieser Aufgabe jeweils 7 Männer des Dorfes betraut. Sie mussten ständig Ausschau halten ob nicht irgendwo im Dorf der „rote Hahn“ auf dem Dach zu sehen ist.
Der Feldschütz oder auch Bannschütz hatte darüber zu wachen, dass es in Feld und Flur nach Recht und Gesetz zuging. Einhaltung der Saat- und Erntezeiten, sowie die Bewachung der Baum- und Feldfrüchte waren die Hauptaufgaben. Waren die Dörfer, wie zum Beispiel Schaidt, mit Toren und Gräben gesichert, so musste der Feldschütz nach Einbruch der Dunkelheit die Tore schließen.
Wenn ein Bürger sein Recht einklagen wollte oder ein anderer wegen einer Straftat vor Gericht erscheinen musste, so stand er nicht allein vor dem gestrengen Dorfschultheiß.
Der Anwalt oder Fürsprecher übernahm die Verteidigung oder verfasste die Klageschrift.
Die Dorfgerichtsanwälte waren einfache Leute, die lediglich über ein entsprechendes Mundwerk und die nötige Bauernschläue verfügen mussten. Mancher Schultheiß bediente sich bei schwierigen Verhandlungen eines solchen (Staats-) Anwalts. Man kann sich die Situation gut vorstellen, wenn bei solchen Verhandlungen die beiden „Anwälte“ in deftigem Dialekt ihre Positionen vertraten.
Der Gutleuthausschaffner verwaltete das Gutleuthaus (Leprosenhaus) und die dazu gehörende Gefälle. Aus dem Erlös dieser Gefälle wurde der Schaffner entlohnt.
Die jeweiligen Landesherren veranlassten, dass in den Dörfern Badestuben eingerichtet werden. Die Aufsicht über solche Badestuben hatte der Bademeister. „Aus besonderer Fürsorg und für die Reinigkeit und Behaglichkeit der Gesellen und anderer dienenden und armen Leut, ist es eine gesunde und lobliche Gewohnheit, sich mindestens alle vierzehn Tag zu baden“. Reiche Leute stifteten ein Grundstück oder eine Geldsumme, damit jährlich an ihrem Sterbetag ihrer gedacht wurde und armen Leuten ein Bad bereitet werde und danach sie sich an einem Mahl erquicken konnten und dem Spender so dankten. Solche Stiftungen führten den Namen „Seelbäder“.
Jedes bedeutsame Dorf und jede Stadt sowieso, hatten einen Ziegelofen. Als Ziegelofenverwalter fungierte meist ein Bürgermeister. Diesem unterstellt war ein Ziegelmeister oder auch Tausendmacher genannt. Der Schultheiß ließ für das Dorf Ziegel und Backsteine brennen. Wurden für die Bürger Ziegel gebrannt, so mussten diese für je „Tausend“ ca. 2 fl. zusätzlich an den Ziegelmeister bezahlen.
Der Kuhhirt, der Schweinehirt und der Gänsehirt waren auch sogenannte „Amtspersonen“. Oft mußten diese neben ihrem Hirtendienst noch andere öffentliche Aufgaben übernehmen.
So zum Beispiel den Nachtwächterdienst. Im 18. Jahrhundert erhielt ein Kuhhirt beim Weidegang für jedes Stück Großvieh 6 gemeine Pfennig, der Schweinehirt bekam für ein Schwein 3 gemeine Pfennig und der Gänsehirt je Gans pro Woche 1 Pfennig am Ende eines Jahres.
Zum Lebensraum der Bienwalddörfer gehörte zu allen Zeiten der Wald. Bürger dieser Dörfer waren unter dem hochstiftlichspeyerischen Dienstpersonal, dem die Betreuung und Verwaltung dieses Waldes anvertraut war, durch die Jahrhunderte immer vertreten. Der Waldfaut, der seinen Amtssitz beim Oberamt (Lauterburg oder Germersheim) hatte, war der Vorgesetzte der Oberjägermeister, Jägermeister, Hilfsjäger und Waldknechten.
Die Jägermeister bekamen von amtswegen eine Dienstwohnung gestellt. Die Hilfsjäger und Waldknechte wurden von verschiedenen Abgaben befreit. Neben der eigentlichen Forstverwaltung und der Waldarbeit überwachten diese Amtspersonen auch das Wald- und Weiderecht.
Ohne Zoll und Steuern kann man keinen „Staat“ machen. Dem Landzoller (auch „Umgelter“ genannt) oblag hauptsächlich die Vereinnahmung des Guldenzolles von Wein und Früchten, „so durch oder ausser die Churfürstl. Pfalz verführet“. Nach der Entrichtung des Zolls wurde eine Bescheinigung ausgestellt, so dass der Zoll für diese Ware in der gesamten Kurpfalz nicht mehr entrichtet werden musste.
Beruflich verwandt mit dem Landzoller war der Keller. Ein vielseitiger Mann dieser Keller. Er hatte die Aufgabe, die Gefälle an Wein und Früchten einzufordern und zu lagern. Die Annahme von Bargeld, anstelle der Naturalien war ihm strengstens untersagt. Die abgelieferten Zinshühner (auch Fastnachtshühner), Gänse und Kappen musste der Keller in Empfang nehmen und versorgen. Der Wein in den Fässern musste ebenfalls versorgt werden und natürlich immer wieder gekostet werden, ein schweres und verantwortliches Amt.
Der Keller führte genau Buch über die Lagerung. Den Erlös aus dem Verkauf dieser Naturalgefälle musste er an den Landschreiber abführen. Bis um Ende des 18 Jahrhundert war in Schaidt im Unterdorf im Ring „das Kellereihaus“.
Innerhalb der Oberämter Germersheim und Lauterburg gab es noch den einen oder anderen Amtsinhaber auf Grund der örtlichen Gegebenheiten z.B. zur Überwachung des Schiffsbetriebes auf dem Rhein oder im Fischereiwesen. Für viele Familien, die kein eigenes Land im Besitz hatten, war die Anstellung bei der Obrigkeit die Sicherung der Existens. So gesehen hat sich bis in die heutige Zeit nicht sehr viel geändert.